Kris Kristofferson auf der Fuchskaute
Foto: Christian Düringer

Fuchskaute/Willingen (11. Juli 2008) und Museumsplatz/Bonn (22. Juli 2008)

Kris Kristofferson

Gut gemeintes Provinz-Konzert im Westerwald und die Entschädigung in Bonn

Kris Kristofferson verlor nach seinen ersten beiden Alben in den frühen 70er etwas den Faden. Zumindest als Musiker. Als Schauspieler begann seine Karriere gerade erst. Mit THIS OLD ROAD gelang ihm 2006 ein erstaunliches Comeback. Früh- und Alterswerk verhalten sich wie zwei Seiten einer Medaille. Hier eine ungezügelte Aufbruchstimmung im Dunstkreis der von Willie Nelson und Waylon Jenning angeführten Outlaw Country-Szene, dort ein aufrichtiger und bescheidener Blick zurück auf sein privates und öffentliches Leben. Kristofferson ist inzwischen 72 Jahre alt. Live entwickelt die Kombination beider Perspektiven ihren ganz eigenen Charme. 


2008 ist Kristofferson auch in Europa wieder live präsent. Seine Europatour beginnt in Deutschland. Allerdings nicht wie zunächst angekündigt in den Metropolen Berlin und München, sondern in der tiefsten Provinz von Rheinland Pfalz. Unternehmer Joachim Fuhrländer lockt Kristofferson mit Hilfe seiner in Boston tätigen amerikanischen Mitarbeiterin Deborah Pasternak in ein Festzelt vor ein Ausflugslokal auf der Fuchskaute bei Willingen, dem höchsten Punkt des Westerwaldes. Wir waren dabei und besuchten zwei Wochen später noch die Show in Bonn. Der Kontrast hätte nicht größer ausfallen können. 

Fuchskaute/Westerwald

 

Pasternak war nicht nur Organisatorin, sondern eröffnete auch mit einem halbstündigen Set das Konzert. Über ein Jahr lang habe sie dafür gearbeitet, die Show auf die Beine zu stellen und ihrem Chef, einem großen Kristofferson-Fan, damit einen lang gehegten Wunsch zu erfüllen. Eine schöne Idee – eigentlich. 


Kristofferson betritt gegen 20 Uhr die Bühne. Die eigens für das provinzielle Event offensichtlich aufwändig photogeshopte "This Old Road-Monument-Valley-Tapete" soll pfiffig sein, ist aber peinlich und wirkt wie eine drittklassige Werbetafel im Reisebüro. Wie Pasternak vor ihm, kommt auch Kristofferson lediglich mit seine Gibson-Western-Gitarre, dazu noch ein paar Blues Harps. Das Set besteht vor allem aus Klassikern wie "Me And Bobby McGee" von seinem Debüt KRISTOFFERSON, Songs seines zweiten Albums SILVER TONGUED DEVIL AND I im Wechsel mit aktuellen Stücken. Aber auch politische Statements und kritische Lieder wie "Don't let the Bastards (Get You Down)" von seinem eher unbeachteten 1990er Album THIRD WORLD WARRIOR sind zu hören. 

Kristofferson wirkt bei seiner Performance stellenweise etwas fahrig. Häufige Texthänger führen teils zu abrupten Abbrüchen der Lieder. Harps in falscher Tonart, die schnell noch mal getauscht werden müssen, lassen darauf schließen, dass es das erste Konzert der Tour ist und es noch an Routine mangelt. Dem Konzertverlauf tun diese Fehler aber keinen Abbruch - im Gegenteil. Sympathisch und selbstironisch geht er mit den eigenen Unzulänglichkeiten um. Alles wirkt spontan, direkt, ehrlich, ja authentisch, ohne Netzt und doppelten Boden vorgetragen. Es wäre eine Leichtigkeit gewesen, sich von einer professionelle Begleitband den Rücken stärken, Schnitzer kaschieren zu lassen. Kristofferson verlässt sich hingegen auf sich selbst.

Nach einer halbstündigen Pause häufen sich auch die Anekdoten zwischen den Songs. Kristofferson erläutert, warum seine Kinder den "Silver Tongued Devil" nicht mögen ("you blame someone else for your own faults") und plaudert von seiner ersten Begegnung mit seinem damals von Drogensucht gezeichneten Idol, Freund und Förderer Johnny Cash, dem er anschließend "To Beat the Devil" widmet. Zusammen mit "Sunday Mornin' Comin' Down", "The Taker" und "Jody and The Kid" einer der Höhepunkte der Show. 

Die Location mit samt ihrem Publikum entpuppt sich allerdings recht bald zum großen Wermutstropfen des Abends. Eine Provinz-Event mit äußerst humanen Eintrittspreisen hat eben auch Nachteile. Wenn schon mal was los ist, geht man auch hin. Der Veranstaltungsort ähnelt schon von weitem einem Kirmeszelt und entsprechend entwickelt sich die Atmosphäre. Oma Frida trifft Onkel Herbert. Man kennt sich und so manche Mutti schleppt noch die irritierten Enkel mit, die sich zwischendurch ein Bratwürstchen nach dem anderen holen. Nach der Pause bleibt dann ein Teil der gelangweilten Dorfjugend und eine Gruppe feister Senioren gleich ganz im Foyer an der Biertheke zurück, um von dort mit lauten Geschwätz und Gelächter zu nerven. Mitte der zweiten Hälfte verlassen dann plötzlich weitere Scharen das Zelt. Man will ja schließlich auch noch in Ruhe ausparken und Stau vermeiden. 

Museumsplatz/Bonn


Ganz anders in Bonn knapp zwei Wochen später - ohne Fototapete. Der Museumsplatz ist gut besucht aber kein Vergleich zum überdimensionierten Kirmeszelt bei Willingen. Somit löst der sympathische Rahmen von Bonn das eigentlich auf der Fuchskaue angekündigte Versprechen einer "intimen Atmosphäre" viel eher ein. Ohne Support-Act beginnt Kristofferon sein unprätentiöses Set. Abaluf und Setlist sind bei beiden Konzerten fast identisch. Kristofferson wirkt eingespielter mit weniger Texthängern und Unsicherheiten. Die Zuhörerschaft ist interessierter. Zufallsbesucher sind kaum welche gekommen. Eingeweiht lauscht und feiert man Kristofferson nach jedem Song mit teils frenetischem Applaus.

Zwei höchst unterschiedliche Konzerterlebnisse, bei dem vor allem das in Bonn dem Mann gerecht wird, der inzwischen wie sein immer wieder erwähnter Mentor Johnny Cash längst selbst Teil der Musikgeschichte ist. Kristoffersons ehrlicher und unverstellter Charme und der aufs Wesentliche reduzierte Vortrag seiner Musik, ohne jeglichen Begleitschutz und Effekthascherei, verlangt nach Respekt - und einer Fortsetzung.


Text und Foto von Christian Düringer